Ähnlich wie Island – und doch ganz anders sind die Färöer Inseln. Auf dem Weg mit dem Auto auf der Fähre nach Island habe ich einen Zwischenstopp auf den Färöer Inseln eingelegt. Wer isländische Inseldimensionen gewöhnt ist, fühlt sich auf den Färöern wie im Spielzeugland. Wer allerdings lediglich eine Woche Zeit hat, kann dadurch natürlich viel mehr erkunden. Auch ist auf den Färöer Inseln der Einfluss Dänemarks viel spürbarer beispielsweise im Design der Cafés. Auch die Orte sind viel aufgeräumter und ordentlicher als im leicht chaotischen Island.
In einer Reisereportage habe ich meine Eindrücke und Erlebnisse auf den Färöer Inseln in Text und Fotos festgehalten.
PUPPENSTUBENLAND IM NORDMEER
Auf den Färöer Inseln zu reisen ist wie ein Ausflug in ein Spielzeugland: Alles ist vorhanden, aber in überschaubarer Größe und Proportion. Das macht es einfach, das Land zu erkunden – birgt aber auch einige Abenteuer in sich.
Es ist still an Deck. Es ist kalt, morgens um 5 Uhr im Nordmeer. Doch fast alle Passagiere sind aus ihren Kabinen gekrochen, um das Schauspiel zu beobachten. Geschmeidig fährt das riesige Fährschiff Norröna in den winzigen Hafen von Tórshavn ein, der Hauptstadt der Färöer Inseln. Majestätisch wendet der große weiße Pott im engen Hafenbecken. Laute Geräusche machen nur die unzähligen Möwen, die sich auf das Wasser stürzen, wo die Schiffschraube das Meer aufgewühlt und Futter in Fischform an die Oberfläche befördert hat. Ein großes Getümmel setzt sich unter Deck fort: Auch wenn es noch mehr als eine Stunde dauert, bis die mit Auto angereisten Fahrgäste ihre Wagen besteigen und an Land fahren können, herrscht reges Gedränge. Reisetaschen, Proviant-Kühlboxen, schlafende Kinder, hinkende Omas werden zwischen den engen geparkten Wagen zum passenden Auto geschoben. Nach zwei Tagen und zwei Nächten an Bord auf der Fahrt vom dänischen Esbjerg nach Tórshavn auf den Färöer Inseln wollen die Passagiere festen Boden unten Füßen spüren. Eine schlaflose Nacht mit tosenden, meterhohen Wellen und rasselnden Sicherheitsketten, die ganze Container unter Deck befestigen, ist genug.
Reisebusse, Wohnmobile, Motorräder, Fahrräder, Jeeps und normale Personenwagen rollen von Bord in die überschaubare Hauptstadt. Rund 20.000 Menschen wohnen im Gemeindegebiet Tórshavn – etwas 40 Prozent der Bevölkerung von insgesamt 48.500 Färingern. Im historischen Stadtviertel mit den engen Gassen zwischen niedrigen schwarz geteerten Häusern mit weißen Fensterrahmen und grünen Grasdächern fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Es ist wie der Besuch in einem Kindermärchenpark. Wie Puppenstuben erscheinen die Häuser vor der hochhaushohen Fassade des riesigen Fährschiffes im Hafen. Moderne Technik und Kultur prallen extrem auf eine ländliche Idylle des winzigen Landes.
Die Färöer sind eine im Mittelalter entdeckte und besiedelte Inselgruppe im Nordatlantik zwischen den Britischen Inseln, Norwegen und Island. Mit Ausnahme von Lítla Dímun sind alle 18 Inseln permanent bewohnt. Die Färöer sind wie Grönland eine gleichberechtigte Nation innerhalb des Königreichs Dänemark, bereits seit 1948 weitgehend autonom und haben mit dem Løgting eines der ältesten Parlamente der Welt. Die Färinger sprechen ihre eigene Sprache und haben ihre eigene Flagge. Sie sehen sich als Nachfahren aus der Wikingerzeit auf den Färöern und als eigenständiges Volk, nicht als Dänen.
Stolz weht die weiße Flagge mit blau-rotem Kreuz im Hafen und in vielen Vorgärten. Mit einem gewissen Eigensinn ausgeprägt – wie die Schafe, denen die Schafsinseln ihren Namen verdankt – trotzen die Färinger den Widrigkeiten, denen sie im rauen Nordmeer wettertechnisch, aber auch politisch ausgeliefert sind. Wie sich das ausdrückt, beschreibt Annika Waag, Frau an der Spitze der Brauerei Föroya Bjór in Klakksvík. Mit einem schwarzen Schaf mit gelb-funkelnden Augen, umgeben von gleißend weißen Blitzen, etikettiert das Familienunternehmen in vierter Generation eines ihrer dunklen Lagerbiere. „The Black Sheep haben wir 1992 auf den Markt gebracht“, erklärt Marketingchefin Annika Waag. „Es ist eine Anspielung auf die damalige Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Färöern. Mein Vater konnte es sich nicht verkneifen.“ Die Färöer konnte damals in Dänemark aufgenommene Kredite nicht mehr bezahlen. Durch den Rückgang von Fischgründen ging es vielen Firmen an den Kragen. Die Fischerei ist der Haupterwerbszweig der Färinger. Viele Fischer mussten staatlich subventioniert werden. Doch die Färinger ließen sich nicht unterkriegen.
Steil fallen die Berge ab ins Meer. Gerade Freiflächen gibt es so gut wie keine auf der Inselgruppe. Doch das Straßennetz der Färöer ist komplett asphaltiert und verbindet seit 2004 alle Regionen. Außerdem sind Schiffe und Hubschrauber alltägliche Nahverkehrsmittel auf den Färöer Inseln. Unterwassertunnel haben in den vergangenen Jahren einige Fährverbindungen ersetzt. So geht es nach Klakksvík auf der nördlichen Insel Borðoy abenteuerlich durch teils einspurige unbeleuchteten Tunnel. Bei Gegenverkehr muss man in schmale Buchten ausweichen, die wie Löcher einer Flöte in die Tunnelröhre geschlagen sind.
Weiter geht es nach Viðareiði, dem nördlichsten Ort der Färöer. Die Stille ist atemberaubend. Der Ort liegt am Fuße eines Berges, der halbrund wie ein Amphitheater das Dorf vor dem rauen Meer schützt. Etwas verloren wirkt die kleine weiße Kirche vor dem mächtigen Klippenpanorama. Von hier sehen wir nach Westen zur Insel Kunoy mit dem 820 Meter hohen Berg Kunoyarnakkur, dem höchsten Kap Europas. Ein älterer Mann kommt uns entgegen. Er spricht uns an, fragt woher wir kommen. Unsere Anwesenheit scheint Abwechslung zu bringen. Begeistert berichten wir, wie beeindruckt wird von diesem Fleckchen Erde sind. „Es ist der schönste Ort im Sommer“, meint der Bauer. „Im Winter ist es aber einsam, rau und unwirklich.“
Zurück zur Hauptstadt geht es rauf und runter über mehrere Inseln. Schnell erhitzt sich der Motor unseres Kleinwagens als wir in Serpentinen die steilen Straßen passieren. Hinter jeder Biegung eröffnen sich neue Ausblicke, sind andere Inseln sichtbar. In einer Autostunde erreichen wird von Tórshavn auf der größten Insel Streymoy das nördliche Ende im Ort Tjørnuvík. „Schon da?“, fragt meine Beifahrerin. Die Dimensionen auf der Landkarte der Färöer minimieren sich auf Stadtplangröße deutscher Großstädte.
Am Ende der Insel, zwischen zwei steilen Bergrücken eingebettet stehen kleine bunte Holzhäuser. Friedlich laufen Hühner auf der kaum befahrenen Straße. Der Ort strahlt Geborgenheit aus – aber wirkt auch etwas ausgestorben. Elf dunkelblaue Fußballtrikots hängen in Reih und Glied über einer Wäscheleine. Ein Haus weiter baumeln Fische zum Trocknen unter der Dachrinne. Plötzlich flitzen zwei Kinder auf ihren Dreirädern um eine Häuserecke. Eine Schafmutter und ihre zwei schwarz-weiß gefleckten Lämmchen, die vor dem Haus gegrast haben, machen einen erschrockenen Satz zur Seite und preschen den Hang hinauf. Abrupt bremsen die kleinen Rallyefahrer ab und bestaunen etwas skeptisch die Besucher. Wir kommen uns vor wie Gäste in einer fremden Welt, die nur einen raschen Blick auf das Leben en miniature werfen.
Vorteile hat die überschaubare Welt, als wir von der Oma der beiden Jungs auf einen Kaffee eingeladen werden. Gastfreundlich werden wir bewirtet und bekommen die geheimnisvolle Geschichte der zwei riesigen Felsen erzählt, die am Beginn des Fjords aus dem Meer ragen. Der breiter und gesetzter Stein ist der Riese, der spitzere dünne sein Trollweib. Der Sage nach haben sich die beiden einst von Island aufgemacht, um die einsam im Meer gelegenen Färöer Inseln nach Island zu ziehen. Sie konnten aber nur nachts geschehen, denn das Licht der Sonne lässt Trolle zu Stein erstarren. Mit vereinten Kräften machten sie sich ans Werk. Doch bei der Anstrengung haben sie die Zeit vergessen, wurden vom Sonnenaufgang überrascht und sind jetzt stumme Wächter des kleinen Ortes am Ende der Färöer Inseln – die wir auf unserer Weiterfahrt mit der Fähre in Richtung Island als letztes sehen, bevor es wieder auf das offene Nordmeer geht.
Menschenskind – du hast ja einen drauf… beinahe im 5-min-Takt ein neuer Beitrag. Muss ich mir ja direkt angewöhnen, hier täglich vorbeizuschauen, damit ich nichts verpasse. Und die Färöer präsentierst du so, dass ich einfach nicht anders kann als tief seufzen und sie auf der to-do – Liste noch weiter nach oben zu schieben…
Lieber Roland, ja, da freue ich mich, wenn ich dir mit meinen Geschichten und Fotos Appetit auf mehr Island und die Färöer Inseln mache und du jetzt jeden Tag hier reinlesen möchtest! Vielen Dank für dein Kommentar.
wow Island ist bestimmt klasse! deine bilder sehene cht super aus!!!! ich will auch nach Island (aber erstmal gehts nach Amerika!)
Hallo Tina,
eine tolle Beschreibung und zusammen mit den Bildern kriegt man richtig Einblick in die Atmosphäre auf den Färöer Inseln. Ich musste ehrlich gesagt erst einmal googlen, wo genau den die Inseln liegen, als du erzählt hattest, dass du mit deinem Auto auf dem Weg nach Island dort vorbei kommst. Es scheint auf alle Fälle ein spannender Trip zu sein, hoch in den Norden, und ich freue mich schon auf weitere spannende Nordland-Geschichten von dir :-)
Liebe Grüße
Ellen
@windgeflüster: Vielen Dank für dein Kommentar, und es freut mich, dass die meine Fotos gefallen. Dir viel Spaß in Amerika, gehen ja auch Flüge dorthin über Island ;-)
@Ellen: vielen lieben Dank dir auch für dein Kommentar. Ja, die Färöer Inseln sind echt winzig und es ist total faszinierend, wie die Menschen und Tiere dort leben und sich den rauen Verhältnissen angepasst haben, aber dennoch total modern, aufgeschlossne und so gastfreundlich sind. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch dort! liebe Grüße
Beim Lesen Deines Inselreiseberichtes schwanke ich von den Dimensionen zwischen Jim Knopfs Lummerland ;-) und der kleinsten der Kanaren El Hierro. Aller Wahrscheinlichkeit trifft aber erstere zu. Vor einiger Zeit las ich Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ …. Dein Reisebericht ist jedoch nicht weniger spannend und lässt einem dabei noch viele Gedanken und Fantasien zum selber ausschmücken. Die Fotos machen natürlich noch neugieriger auf die Färöer ….
Liebe Grüße
Christel
Liebe Christel, herzlichen Dank für dein Kommentar und das Kompliment! Es freut mich sehr, wenn meine Texte und Fotografien so inspirierend sind und zum Träumen anregen und das Reisefieber wecken. Liebe Grüße
Liebe Tina
Einfach wunderbar- Text und Fotos- möchte bei dir mal einen foto-workshop machen !!!Vorfreude auf die Färöer steigt täglich. Im Sommer 2011 geht es für 18 Tage mit dem eigenen Auto auf diese Trauminseln. Fotoausrüstung ist kompletiert. Auf Island war ich 1980 mit einer Zeltreise und noch anlaogen Minolta SL- ich bin ja schon ein älteres Semster- über 60 aber an Neuem immer interessiert
Diese Seite werde ich nun öfter besuchen !
Liebe Fotohanne, herzlichen Dank für dein Kommentar und das Kompliment zu meinem Text und den Fotos! Und ich würde mich sehr freuen, dich hier öfters als meine Leserin begrüßen zu dürfen! Und ich kann verstehen, dass deine Vorfreude auf die Reise wächst. Ich war das erste Mal auf den Färöer Inseln – und es hat mich sehr beeindruckt und war wunderschön! Ich wünsche dir jetzt schon mal ganz viel Spaß und tolle Fotomotive, vielleicht darf ich die dann auch irgendwie, irgendwo bewundern? Ich habe kürzlich auch die alte Minolta meines Vaters wieder ausprobiert – analog zu fotografieren ist ganz anders, aber ich war begeistert, wie viel mehr Zeit ich mir für jedes Foto genommen habe. Und vielleicht lässt sich deine Workshop-Idee ja auch gemeinsam verwirklichen?! Viele Grüße aus dem Norden, Tina
Liebe Tina,
nun sind wir seit einer Woche wieder zu Hause. 18 Tage Färöer-Aufenthalt mit dem eigenen Auto- Überfahrt mit der ‚Norröna‘- liegen hinter uns. Es war einfach phantastisch, unbeschreiblich, atemberaubend. Gibt es noch mehr Adjektive, die die Färöer beschreiben? Ca. 4000 Fotos warten nun auf meinem PC auf Sichtung und Sortierung. Obwohl meine Spiegelreflexkamera am 2.Tag den Geist aufgegeben hat, konnte ich zum Glück mit meinen 3 Ersatzkameras die schönsten Fotos machen. Auf deinen Fotos erkenne ich viele Orte und Stellen wieder, an denen wir auch waren z.B Tjörnuvik mit dem Boot im Vordergrund. Im Winter möchte ich ein Fotobuch über die Färöer zusammenstellen. Auf den Färöer gibt es ja nur 2 Färöer-Bildbände zu kaufen und alles scheint fotomäßig das Monopol EINES Fotografen zu sein- auch die Postkarten. Zum Glück habe ich nun viele viele schöne eigene Fotos mit den dahinterliegenden eigenen Erlebnissen.
Herzliche Grüße von Hannah
Hallo Hannah,
wow, klingt wunderbare deine Begeisterung für die Färöer-Inseln – aber auch nach viel Arbeit beim Sichten der vielen Fotos :) Ich bin gespannt! Auch und vor allem auf das Fotobuch – war mir bei meinem Besuch gar nicht aufgefallen, dass es dort so wenig Fotobücher von der Insel gibt. Vielleicht lässt sich ja auch ein Gemeinschaftsprojekt auf die Beine stellen?! Magst du mir diesbezüglich vielleicht mal eine Mail schicken was du für ein Fotobuch planst? Das würde mich sehr interessieren. Ich mache Anfang September auch wieder einen Stopp in Torshavn, allerdings diesmal nur ein paar stunden auf der Rückfahrt mit der Fähre von Island. Danke auch noch für dein Kommentar hier – und viele Grüße, Tina