Zu seiner Puppentruppe gehören aufwendig geschnitzte und technisch ausgefeilte Marionetten und Handpuppen, aber auch simple Kugeln aus Holz. Der Puppenmacher Bernd Ogrodnik lebt seit 1996 in Island und ist der Vater zahlreicher Film-, Fernseh- und Theaterpuppen. Der gebürtige Kölner hat zusammen mit seiner Frau Hildur Magnea Jónsdóttir in Borgarnes, eine Autostunde entfernt von Reykjavík, das Zentrum für Puppenkunst Brúðuheimar eröffnet – mit einer Ausstellung, einem Theater, Schulungsräumen und einem Café.

Text und Fotos: Tina Bauer

Dutzende Augenpaare blicken die Besucher an: Manche schauen fröhlich drein, andere aberwitzig, einige grimmig, andere verspielt. Doch sie sehen alle starr in eine Richtung. Erst wenn Bernd Ogrodnik die Fäden in die Hand nimmt, beginnt das Spiel. „Dabei habe ich mich selbst oft wie eine Marionette gefühlt und die Fäden hält da oben ein anderer in der Hand“, meint der 48-Jährige und schmunzelt. Vergangenen Sommer haben der Kölner Puppenmacher und seine isländische Frau Hildur Magnea Jónsdóttir in Borgarnes das Zentrum für Puppenkunst eröffnet. In vier uralten Holzhäusern am Strand finden dort ein Museum, ein Theater mit Konferenz- und Ausstellungsraum, ein Café mit Kinderspielecke sowie Bernds Werkstatt und Schulungsräume Platz. „Ein Zentrum für Puppenkunst – als ich das Schild an der Straße angebracht und noch mal gelesen habe, konnte ich nicht wirklich glauben, was wir hier machen.“ Er wirkt überwältigt von dem Großprojekt mitten in der isländischen Kleinstadt. Zugleich wird im Gespräch deutlich: Der Mann weiß, was er will und was er kann. „Aber lange habe ich danach gesucht.“
1982 hat sich der Kölner auf den Weg gemacht, sein eigenes Zentrum zu finden. „Deutschland war mir einfach zu eng geworden. Ich suche die Wildnis, brauche Platz.“ Er kam erstmals nach Island. Seitdem hat ihn das Land nicht mehr losgelassen. Nach Zwischenstationen in den USA und Kanada, zeitweise zurück in Deutschland, lebt Ogrodnik seit 1996 dauerhaft in Island. „Die Kunst ist, das Zentrum der Puppe zu finden. Und das findet man nur, wenn man sein eigenes Zentrum gefunden hat.“ Dabei kommen Bernd Ogrodnik seinen Leidenschaften zugute: Kunst, Natur, Musik und japanische Kampfkunst. Er ist ausgebildet in klassischer Musik, als Kräutermeister, Masseur und gelernter Heilpraktiker. „In der Puppenkunst bringe ich alles unter einen Hut: Musik, Bewegungskunst und Holzarbeit.“ 1986 begann er, professionell Puppen zu bauen und zu verkaufen, inzwischen hat er sich in der internationalen Szene einen Namen gemacht.
Puppenspiel ist nicht gleich Puppenspiel, das wird in der Ausstellung deutlich. Bernd Ogrodnik zeigt einen Querschnitt seiner Arbeit: Marionetten für Kinderserien, komplette Filmsets für isländische Werbespots, Theateraufführungen, mobile Kulissen, mit denen er in Kindergärten und Schulen auftritt, aber auch weltweit auf Tournee war. Sein eindrucksvollstes Großprojekt ist der Film „Strings“. „Es ist der erste 90-minütige dramatische Spielfilm für Erwachsene, der je mit Marionetten, ohne special effects gemacht worden ist.“ Dafür hat Ogrodnik mehr als 120 Puppen entworfen und eine zuvor nie da gewesene Technik entwickelt, damit die Figuren laufen können wie Menschen. „Jeder ist eine Marionette, so die Thematik des Films, weshalb die Puppen so menschlich wie möglich sein sollten.“
„Unser Anliegen im Puppenzentrum ist es, die Vielfalt der Puppenkunst zu zeigen.“ Deshalb sind viele Puppen zum Anfassen und Ausprobieren – so zum Beispiel die einfachste Form der Puppe: Unverzierte, Tennisball große Holzkugeln mit einem Loch werden auf einen Finger gesteckt und sind der Kopf. An zwei andere Finger kommen kleine Schuhe aus buntbemaltem Holz – fertig ist die Puppe. „Die Kunst ist die Balance“, ist Bernd Ogrodnik überzeugt. Oft stelle er sich die Frage, was er da überhaupt mache im Zeitalter von Hightech und Computer. „Computer sind toll, ich möchte diese Technik nicht missen. Aber es ist beglückend und heilsam zu sehen, dass die simpelsten Holzpuppen die Fantasie anregen, Kinder und Erwachsene nehmen die Fäden in die Hand und spielen.“