Briefwechsel zwischen Berlin und Nord-Island – heute mit Post von Myriam in Skeið! Ihre konsequente Kleinschreibung erklärt sie als Überbleibsel aus revoltierenden Studientagen. Und sie schreibt mir vom isländisch-deutschen Osterfest mit ihrer Familie: einem Mix aus deutschen und isländischen Osterbräuchen. Der Frühling ist in Nord-Island allerdings erst langsam zu spüren, noch herrschen beste Bedingungen zum Skifahren und damit volles Haus bei Myriam. Here go to English version

Skeið, 15. April 2012
liebe tina,
ich fang beim ende an: meine kleinschreibung. das ist ein ueberbleibsel meiner akademischen laufbahn, die nach dem grundstudium auch schon ihr ende fand. ich studierte linguistik an der freien universitaet berlin, in der sogenannten rostlaube. in einer der vielen vorlesungen, kurse* lernte ich diesen „tick“ kennen, der als rebellisches element in der schriftsprache galt….

…nach dem motto: gleiches recht fuer alle, daher alles klein. ich behalte es bei, weil ich das motto mag, und weil es das tippen zudem erleichtert ;-)
…*fuer mich ein voelliges ueberangebot = ich sah den wald vor lauter baeumen nicht mehr, haette mir besser eine kleine uni aussuchen sollen, um dabei zu bleiben.

ich drueckte meinen gruenen daumen! hat´s geholfen? sind die samen auf deinem balkon angegangen? bei mir sind fast alle angegangen, aber noch fand ich keine zeit, im gewaechshaus aufzuraeumen = trockenes gestruepp raus, neue erde und duenger (da helfen meine pferde;) hinein, dann die kleinen pflaenzchen pikieren und hoffen, dass sie die umpflanzung gut ueberstehen. und natuerlich die naechste ladung samen aussaeen, denn nun kommen die bluemchen bald dran.

ostern liegt schon wieder hinter uns. wir hatten unverhofft nur selbstversorgergaeste bis samstag. eine skigruppe sagte ab, so waren wir allein, aber doch zu neunt, denn die familie, inklusive logi und inga líf, (m)amma und zwei freunde waren am ostersonntag alle hier versammelt. hast du eigentlich ingimars aelteste kinder, logi und inga líf, kennengelernt?
wir mischten islaendische und deutsche osterbraeuche = es gab osterbrunch, wie meine ma es immer hielt. natuerlich mit eiersuchen und selbstgefaerbten, hartgekochten eiern. ueber der leckeren ostertafel hing ein zweig mit bunten eiern. allerdings nicht zum essen – die filzten máni und ich vor zwei jahren zusammen mit (m)amma; nun unser jaehrlicher osterschmuck mit zuwachs, denn die kinder basteln sehr kreativ im kindergarten. mir scheint, der eher auslaendische brauch, an ostern zweige zu behaengen und bunte eier, hasen etc. aufzuhaengen, ist zwar noch nicht wirklich usus, wird aber populaerer. hier ist es brauch, den kindern ein grosses, mit suessigkeiten gefuelltes schokoladenei zu schenken, in dem ueblicherweise noch auf einem beigefuegten zettelchen eine weisheit enthalten ist (aehnlich den glueckskeksen in chinesischen restaurants). erwachsene werden da auch gerne wieder zu kindern;) ach, das weisst du eh schon. ich erinnere mich wieder an einen beitrag von dir im blog – oder war das in deinem buch?

ueber mein politikinteresse in der alten heimat will ich dir nix vor-gauck-eln;) ich verfolge zwar das ein oder andere groessere ereignis – und dazu gehoerte auch die wahl des neuen bundespraesidenten – ansonsten bleibt es mehr beim schlagzeilen ueberfliegen. bin dir dankbar, wenn du mich auf dem laufenden haelst, denn eigentlich ist es mehr aus zeitmangel und dem „ausdenaugen-ausdemsinn“-syndrom, als aus desinteresse.
fuer heute verabschiede ich mich und sende halb winterliche, halb fruehlingshafte gruesse aus dem tal. die naechsten tage bis anfang mai tauche ich gaenzlich hier am ende des tals unter, denn 3 skigruppen wollen vollversorgt werden. da bin ich fleissig am backen & kochen. hoffentlich gibst keinen hals- oder beinbruch!

freu mich auf deine zeilen,
bis wieder, myriam.

ps: meine tastatur ist auf islaendische schreibweise eingestellt, daher keine umlaute, sondern ae, oe und ue. eigentlich sollte die umstellung auf deutsche tastatur nur ein mausklick sein – doch diese funktion ist bei meinem arg ueberholungsbeduerftigem laptop futsch. steckt also keine besondere philosophie dahinter.
pps: auf meine erste uebersetzung und die esja-frauen, sowie heimweh komme ich ein andermal zurueck. das fuellt einen ganzen brief.

ENGLISH VERSION

Penfriends from Berlin and Northern Iceland

Skeið, 15th April 2012

dear tina,
i shall start with the end: my case insensitivity – a leftover of my academic career. i studied linguistics at „freie universitaet berlin“. i addicted this kind of spleen in some of those manies lectures, classes*. it has been used as an insurgent element at least in the german literary language, themed „one law for all“ – no capital letters.
i am keeping it on, as i like the slogan and besides it does ease the typewriting for me.
…*for me it seemed to be such an oversupply, as we say in german: i did not see the forest for the trees. it would have better worked out for me at a less busy, more familial university.

so how are your sowing doing? i kept my green fingers crossed for you! i had luck, almost all sowing here was sucessful, but i could not find the time yet to prepare and clean up the greenhouse for the little plants and hope they stay alive aftur replanting them. before i can do that, i need to put some new soil and fertilizer in it. my horses do help here. well, i meant the fertilizer;)
and then it is time for the next sowing: flowers and maybe pebbers. i am still learning, too.

eastern is already over. we had some self-catering guests, one group-cancelling. according to my guesthouse busyness not too good, but could load up my batteries and enjoyed being with my family and friends. we have been nine: mom is here, ingimar´s older kids, logi and inga líf, stayed with us and 2 friends came, too. did you ever met logi and inga líf?
we mixed german and icelandic easter traditions: on late sunday morning we had an eastern brunch, as my mother used to have. of course we had egg hunt and coloured, hard-boiled eggs and an egg-decorated branch hang above the buffet. no eatable eggs, but felted ones, that máni, my mother and me felted two years ago – since then our annual easter decoration plus the lovely decoration crafted by máni and lea. it has not been popular in iceland to decorate that much around eastern, but it seems to get more popular. here they give one big chocolate-egg, which is filled with sweets and often keeps a note inside with a wisdom or a prevision (quite similar to these cookies they offer in chinese restaurants). grownups become likely children again;) but what am i telling you, you know that allready. i remember now an article in your blog – or was it in your book?

i have to admit that my knowledge about german politics has reached a minimum. but it is more because of a lack of time than because of a lack of interest. i am pleasured, if you keep me up-to-date.
bye for now, i am sending you half-still-winter-, half-getting-springtime regards from our valley. until the beginning of may i am gone, i will hide here in the guesthouse-kitchen, baking and preparing breakfast, lunch and dinner for the next 3 weeks, taking care of 3 skiing groups. Hopefully no „hals-und beinbruch“, which would be a broken neck and leg, as we usually wish in german (but of course, it is not meant like this. it just means to have a great time on skis).

looking forward to reading your lines,
myriam.

ps: according to the german version – it should be easily possible to switch to a german keyboard and write proper german mutated vowels („umlaute“), but this funtion is out of order, so i just use „ae“, „oe“ and „ue“ instead.
pps: about the esja-women and homesickness in another letter, as it needs another for that:)