17. Juni – heute ist Nationalfeiertag in Island. Til hamingju Íslands! Und viel Spaß beim Feiern, liebe Isländer! In meinem Buch „Ein Jahr in Island. Reise in den Alltag“ beschreibe ich, wie ich den Tag einmal mitten in Reykjavík erlebt habe.
júní. Ich sehe nur noch blau-weiß-rot. In jedem Fenster, in jedem Garten flattert die isländische Flagge: rotes Kreuz mit weißem Rand auf blauem Grund. Kinderwagen sind mit Fähnchen geschmückt. Backen sind mit den isländischen Farben bemalt. „Til hamingju Ísland! Herzlichen Glückwunsch Island“, begrüßt mich Sóley vor dem Café Paris am Austurvöllur. Den heutigen Schlachtruf haben mir auf dem Weg dorthin schon x Mal wildfremde Passanten entgegengerufen. Es ist der 17. Juni – und Nationalfeiertag in Island. „Anlass, wieder mal selbstbewusst unsere Heimat zu feiern.“ Der Tag ist prädestiniert dafür, tiefer in die Wikingerseele zu blicken. Denn Nationalstolz ist für Isländer kein Fremdwort. „Ó fögur er vor fósturjörð – Oh wie schön ist unser Mutterland“, erklingt auch gleich in tiefem Bariton.
Ein Männerchor hat an der nächsten Straßenecke Position bezogen. Durchaus junge, fesche Wikinger schmettern das Volkslied. „Das hat Sveinbjörn Sveinbjörnsson getextet“, klärt mich Sóley auf. „Der hat auch die isländische Nationalhymne geschrieben.“ Und als wäre das das Stichwort gewesen, stimmen die gutaussenden Isländer in weißem Hemd und schwarzen Anzug inbrünstig „Ó, guð vors lands! – Oh Gott unseres Landes!“ an. Und schon bildet sich eine Menschentraube und alle singen mit – Sóley auch. So viel Nationalbewusstsein ist mir schon fast peinlich. „Komm, lass uns weiterziehen.“ – „Was denn? Macht doch Spaß!“ Ich bin mir nicht sicher, ob sie ernsthaft empört ist, weil ich so abrupt aufbreche, oder ob es die ironische Selbstgefälligkeit einer Isländerin an sich ist. „Du musst uns verstehen: Was haben wir 320.000 Isländer denn schon zu bieten, was weltweit von großem Interesse ist? Viel ist das nicht. Da müssen wir uns wenigstens gelegentlich selbst auf die Schulter klopfen und besingen, wie gut wir sind und dass Island das schönste Fleckchen Erde ist.“ – „Wo du Recht hast, hast du Recht.“ – „Wir wissen ja, dass wir am Arsch der Welt auf einer Insel leben und nur durch das Aschemonster Weltruhm erlangt haben.“ – „Wo du Recht hast, hast du Recht.“ – „Einen Grund mehr zum Feiern!“ Und wie! Um die nächste Ecke spielt eine Band auf einem Hausdach. Ein Oldtimer-Corso mit Cadillacs, Alfas und Porsche rollt vorbei – selbstverständlich ebenfalls mit blau-weiß-roten Fähnchen verziert. Die Gehwege sind gestopft voll mit Menschen, die Kinder ausgestattet mit Zuckerwatte in der einen Hand und einem Luftballon in der anderen. Darauf prangen Stier, Riese, Drache und Adler – auf blau-weiß-rotem Wappen. Natürlich! In Zeitlupe ziehen Performance-Künstler an uns vorbei.
Wer mehr lesen möchte, liest „Ein Jahr in Island. Reise in den Alltag“→, erschienen im Verlag Herder.
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